Aloisiuskolleg
Gymnasium der Jesuiten für Mädchen und Jungen

Sozialpraktikum in Klassenstufe 10 (EPh)

Ein Monat Erfahrungen im Dienst an anderen Menschen. Kernstück ignatianischer Pädagogik.

Seit 1986 schon ist das Sozialpraktikum ein zentrales Element der igantianischen Pädagogik am AKO. Es geht beim Handeln immer auch darum, dieses tiefer zu verstehen, von innen her die Bedeutung zu "verspüren" und daraus Impulse zu gewinnen, die ein Leben lang das Denken, Fühlen und Handeln prägen können.

Jahr für Jahr gehen 80 bis 100 Jugendliche der Klassenstufe 10 einen Monat in Alten- und Behindertenheime, in Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Obdachlosen- oder andere Einrichtungen, um sich dort ehrenamtlich zu engagieren.

Es geht darum, Not zu lindern, anzupacken und zu helfen, so gut ich es kann. Es geht aber manchmal auch darum, das Leid (z. B. am Krankenbett) auch einfach nur auszuhalten. Es geht immer darum, wertvolle Menschen kennenzulernen und zu erfahren, wie sie benachteiligende oder belastende Umstände in ihrem Leben meistern. „Compassion“ bedeutet: sich auf Andere einzulassen, von Ihnen bereichert zu werden und für sie da zu sein.

Sozialpraktikum als ignatianische Erfahrung

Sozialpraktika sind mittlerweile an vielen Schulen üblich. „Menschsein für andere“ wird konkret, wenn ich es tatsächlich tue; eine Zeitlang auch Tag für Tag über viele Stunden. Seit 1986 gehört das Sozialpraktikum am AKO wie an allen Jesuitenschulen zu den wichtigsten Lernerfahrungen. Es geht dabei nicht nur darum „etwas zu tun“, sondern vor allem darum, die Erfahrungen prägend werden zu lassen für das eigene Leben.

Schon Ignatius von Loyola, der Ordensgründer der Jesuiten, legte Anfang des 16. Jahrhunderts bei sich selbst und seinen Ordensbrüdern immer besonderen Wert darauf, Gott nicht nur auf theologisch-theoretischer Ebene zu ergründen, sondern sein Werk mit Herz und Hand an den Menschen zu tun, die unserer Hilfe am meisten bedürfen. Schon die ersten Jesuiten übten sich in sogenannten „Experimenten“, die sie mit Armen, Kranken und Sterbenden zusammenführten, wobei das Wort „Experiment“ nicht etwa bedeutet, dass man irgendetwas ausprobiert, sondern dass man sich selbst erprobt.

„Die Liebe muss mehr in die Werke als in die Worte gelegt werden“, lautet ein wichtiger Leitsatz von Ignatius von Loyola, der auch für unser Sozialpraktikum maßgeblich sein soll, und dennoch muss hier auch in Worten erläutert werden, was es eigentlich mit dem Sozialpraktikum auf sich hat. Denn es ist für alle Beteiligten — Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und Erzieher und auch für unsere Ansprechpartner in den caritativen Einrichtungen — wichtig zu verstehen, welche Ziele wir mit dem Sozialpraktikum verfolgen.

  • Was nützt ein Sozialpraktikum?
  • Woher kommt diese Idee?
  • Und was wollen wir damit erreichen?
  • Was ist daran ignatianisch?
  • Was ist „magis“ und was hat es mit dem Sozialpraktikum zu tun?

Es erscheint uns von essentieller Wichtigkeit, dass jede Schülerin und jeder Schüler sich diese und ähnliche Fragen stellen und auch schon die ein oder andere Antwort parat haben, bevor er oder sie sich den praktischen Erfahrungen zuwendet, damit es nicht bei der bloßen Erfahrung bleibt, sondern diese nur den Beginn eines persönlichkeitsprägenden Prozesses bildet.

Erfahrung

Mit den richtigen Fragen im Gepäck sind wir gewappnet, uns Erfahrungen auszusetzen, die nicht alltäglich sind. Wir begeben uns damit bewusst in Situationen, in denen andere Menschen unsere Hilfe brauchen. Wir tun das, um herauszufinden, wie es sich anfühlt zu helfen.
Reflexion

In der Reflexion wollen wir unsere eigenen Gefühle und Gedanken erforschen. Wie war das, zu helfen? Wie ist es, gebraucht zu werden? Wie ist es, Hilfe zu benötigen, abhängig von anderen Menschen zu sein? Wie fühlt es sich an, helfen zu können? Und wie fühlt es sich an, nicht helfen zu können, ohnmächtig zu sein?

Wir hinterfragen unsere Beziehung zu anderen Menschen und lernen dabei uns selbst besser kennen. Ebenso erneuern und reflektieren wir dadurch unsere Beziehung zu Gott.

Handeln und Reflektieren

Mit dem Reflexionstag am Ende des vierwöchigen Sozialpraktikums ist der Prozess noch nicht abgeschlossen. Hier knüpfen wir wieder an das Ausgangszitat an und erinnern uns daran, dass wir nicht nur Worte wechseln, Meinungen hinterfragen und Einstellungen ändern wollen, sondern dass neue Einstellungen und andere Meinungen auch entsprechendes Handeln nach sich ziehen sollten. Eine Meinung zu vertreten ist nicht genug, man muss auch danach handeln. So wünschen wir uns auch von unseren Sozialpraktikantinnen und -praktikanten, dass es nicht bei Erfahrung und Reflexion bleibt, sondern sie sich durch Erfahrung und Reflexion dazu entschließen, auch nach Abschluss des Sozialpraktikums Menschen für andere zu sein. Dann werden sie auch weiterhin prägende Erfahrungen sammeln können und in einen Kreislauf von Erfahrungen, Reflexion und Handeln eintreten. Wir wollen ihnen diesen Weg gern weisen – beschreiten müssen sie ihn freilich allein.

Das Sozialpraktikum ist „magis“

Im Sozialpraktikum manifestiert sich also der Gedanke, mehr zu lernen, als die schulischen Curricula beinhalten, mehr zu werden als nur ein gebildetes und erfolgreiches Individuum. Nur wenn es uns gelingt, durch die reflektierte „Verkostung“ (ein ignatianisches Wort: die Dinge von innen her zu erspüren und so zu verstehen)  der sozialen Erfahrung auch neue Maßstäbe für unser eigenes Handeln abzuleiten, werden wir zu Menschen, die nicht nur sich selbst die Nächsten sind, sondern die Menschen für andere sind.

Anhang: 
P. Johannes Siebner SJ, Rektor des Aloisiuskolleg 2011-2017, zum Jubiläum „25 Jahre Sozialpraktikum“ P. Johannes Siebner SJ, Rektor des Aloisiuskolleg 2011-2017, zum Jubiläum „25 Jahre Sozialpraktikum“