Langsam aber stetig füllt sich der Mitteltrakt unter der fast vorsommerlichen Abendsonne, die durch die Westfensterfront des 1929 eingeweihten Schulgebäudes (so verrät ein Foto aus dem damaligen Ako-Heft) den Raum flutet. Ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen da. Nach gediegener Einstimmung mit leichten Häppchen und Aperitifs begrüßt Herr Molzberger die zahlreichen Gäste aus dem Kreis der Eltern, Schülerinnen und Schüler, dem Lehrerkollegium und externer Interessierter, die gekommen sind, um die eindrucksvolle Ausstellung kennenzulernen, die seit Aschermittwoch die Boeselager-Büste flankiert.
Entstanden ist diese Ausstellung, so erklärt Herr Meuser, der als Projektleiter durch den Abend leitet, im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, an dem das AKO in diesem Jahr erstmalig mit fünf Beiträgen zum Thema „Grenzen in der Geschichte“ teilgenommen hat und bei dem sich die engagierten Jugendlichen historisch-entdeckend mit einem familiär oder lokal begrenzten Thema ihrer Lebenswelt auseinandersetzen und so einen ganz eigenen Forschungsbeitrag leisten. So sind aus dem seit September tagenden Projektkurs vier Facharbeiten zu den Themen „Flucht aus Ungarn“, „Staatenwechsel in Posen“, „Generationengrenzen“ und „Franzosenherrschaft in Bonn“ entstanden.
Die Ausstellung, die im Zentrum des Abends steht, war aus dem ursprünglichen Wunsch der beiden Schülerinnen Leticia und Mara (10c) entstanden, sich mit dem Thema „Nationalsozialismus“ unter lokalgeschichtlicher Perspektive auseinanderzusetzen. Über die Frage, ob sie den Nachlass eines Altschülers auswerten wollten, der im November 1944 mit 21 Jahren im Hürtgenwald gefallen war, mussten sie nicht nachdenken, sondern begannen sofort mit der Sichtung. Schwierig gestaltete sich die Konkretisierung der Fragestellung und Auswertung, da zu fast jedem Dokument unzählige Fragen auftauchten. Die beiden erschlossen zunächst die Biographie des Hans Josef Heumann und entwickelten dabei die Leitfrage „Das Aloisiuskolleg im Nationalsozialismus. Welche Grenzen setzte der Nationalsozialismus der Schulbildung und Persönlichkeitsentwicklung?“, die sie unter den Unterthemen „Schülerleben“, „Jugend“, „Schule“ und „Das AKO“ erarbeiteten. Um sich ein Bild des Aloisiuskollegs zur betreffenden Zeit zu machen, sichteten sie auch die entsprechenden AKO-Jahreshefte. Eine wahre Herculesarbeit war es, alle Dokumente wie Privatfotos, Briefe, Zeichnungen, Schul- und Sportzeugnisse, offizielle Schreiben, Todesanzeigen, Kondolenzen etc. zu ordnen, auszuwerten, zu kontextualisieren, digitalisieren, schneiden, kleben, die Ausstellung zu planen und schließlich am letzten Schultag vor Karneval wortwörtlich auf die Beine zu stellen.
Nach einer feinsinnigen Interpretation des Harfenstücks „Living water“ durch Evelyn (Q2 Geschichte Lk) stellen Leticia und Mara den Besuchern ihre Ausstellung vor. Sie machen deutlich, wie sehr der NS-Staat in das Leben der jungen Menschen eingriff, in Stundenplan, Fächer, Schulleben, Freizeitgestaltung, Berufs- und Lebensplanung, bis hin zum Tod. „Geprägt durch die Hitlerjugend, …, vom NS-Regime in der Schule mit Ideologien ‚vollgestopft‘. … Ein junger Mann, nur ein paar Jahre älter als wir, gefallen im Krieg, als einziges Kind seiner Eltern.“ Sie gewähren aber auch einen lebendigen Einblick in das damalige Schulleben: wie nach erzwungener Umwandlung des Realzweigs mit Abschaffung der Lateinpflicht 1933 Eltern und Hochschulen die Lateinpflicht für die Oberrealschüler zurückforderten; wie ideologisch gefärbt Abituraufgaben waren, wie das AKO um den Erhalt der christlichen Werte kämpfte, bis hin zur Zwangsschließung aufgrund einer „dem Nationalsozialismus feindlichen Erziehung“. „Insgesamt haben wir gelernt, wie stark der Nationalsozialismus in das Leben junger Menschen eingegriffen hat. Schulen dienten nicht mehr dazu, Wissen zu vermitteln, sondern wurden genutzt, um NS-Ideologie durchzusetzen. Selbstständiges Denken wurde unterdrückt, und viele Jugendliche wurden früh in das System eingebunden. Nur wenige hatten den Mut, aufzustehen und etwas dagegen zu unternehmen.“
Bevor man zur freien Besichtigung schreitet, erfreut Sarah (Q2 Geschichte Lk) die Besucher am Klavier mit einer gelungenen Interpretation von Tschaikowskis „Juni“. Mit anregendem Austausch klingt der Abend aus.
Ein für unsere Gemeinschaft gerade heute wieder wichtiges Thema in einer großartigen Ausstellung präsentiert. Anregende Gespräche zwischen Schülern, Eltern, Lehrern, externen Gästen, ein feierlicher Rahmen – ein herrlicher Abend! Die Ausstellung ist weiterhin im Mitteltrakt zu sehen.
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