Wie ist Ihre Haltung gegenüber Deutschland? Sind Sie mit der bisherigen Aufarbeitung der Shoa zufrieden? Gibt es eine Erinnerung, die Ihnen aus der Zeit des Nationalsozialismus besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Das waren nur ein paar der Fragen, die am 18. November Herrn Dr. Alexej Heistver gestellt wurden. Auf Einladung der ICB (International Church Bonn) mit Pastor Wahnschaffe hatten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 und Q2 die einmalige und immer seltener werdende Gelegenheit, einem Überlebenden des Holocaust/der Shoa zu begegnen.
Bevor wir allerdings mit unseren Fragen das Gespräch eröffneten, hat uns Dr. Heistver mit in sein Leben, in seine bewegte Biographie genommen:
Dr. Alexej Heistver wurde 1941 in Kaunas (Litauen) geboren, das kurze Zeit später von den Nationalsozialisten eingenommen wurde. Schon früh von seinen Eltern getrennt, konnte er den einsetzenden Massenerschießungen in Fort IX nur knapp entgehen. Anschließend kam er im Konzentrationslager Kauen in den „Waisenblock“. Dort führte ein Doktor medizinische Experimente an inhaftierten Kindern durch und entfernte ihm unter anderem das Gaumenzäpfchen. Er verlor die Sprache. Erst im Alter von neun Jahre konnte Alexej Heistver wieder sprechen. Schließlich verhalfen ihm im Konzentrationslager angestellte Reinigungskräfte zur Flucht. Auch noch im hohen Alter von 83 Jahren nutzt er seine Stimme, um seine Erfahrungen zu teilen. Neben Schulbesuchen begleitet er Bildungsreisen und ist Präsident der Organisation „Phönix aus der Asche – Die Überlebenden der Hölle des Holocaust e. V.“.
Während der anderthalb Stunden bekamen die 200 Schülerinnen und Schüler tiefe Einblicke in das Leben eines Überlebenden des Holocausts. Als Moderatorinnen durften wir (Sarah, Sophie und Clara) Fragen stellen und so verschiedene thematische Bereiche vertiefen. Oft fiel es uns schwer, die Fassung zu bewahren, da das Erzählte erschreckend und häufig sogar grausam war. Wir mussten öfters schlucken. So erzählte Dr. Heistver sogar, dass seine beiden Söhne aus antisemitischen Beweggründen ermordet wurden.
Besonders berührt waren wir, als er uns berichtete, wie sein Adoptivvater anfing zu weinen, als er zum ersten Mal wieder sprechen konnte. Doch Alexej Heistver sprach nicht nur über seine Vergangenheit, sondern appellierte auch an die anwesende Schülerschaft: Angesichts des „Virus’ Antisemitismus“ sei Gleichgültigkeit am gefährlichsten!
Sehr nachdenklich verließen wir nach anderthalb Stunden die Veranstaltung. Es war eine einmalige Erfahrung, die Spuren in unseren Herzen und unserem Verstand hinterlässt.
Sarah, Sophie und Clara (Q2)