Aloisiuskolleg
Gymnasium der Jesuiten für Mädchen und Jungen

Ignatianische Pädagogik – das Herz für den Unterrichtsstoff öffnen

Ein Gesprächsabend mit Altschüler, Jesuit und Lehrer Klaus Mertes
im Interview durch heutige Schülerinnen und Schüler
zur Eröffnung der pädagogischen Tage 100 Jahre Aloisiuskolleg in Godesberg

Am Ende seiner Überlegungen und Erfahrungen mit Ignatianischer Pädagogik weitet Klaus Mertes den Blick über den schulischen Kontext hinaus, indem er betont, dass die Gaben der Schulzeit erst im Laufe des Lebens ihre Wirkung entfalten und Früchte bringen. Damit brachte er auf den Punkt, was eine Pädagogik, die sich in die geistliche Tradition ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola (1492-1556) stellen will, als Zielpunkt für Schülerinnen und Schüler entfalten will: eine kritisch reflektierte Haltung zum Umgang mit Wissen.

Denn einer Stoffvermittlung, die sich darüber versteht, die Unterrichtsinhalte den Lernenden gleichsam mit einem Trichter in deren Hirn hineinzupressen, erteilte er gleich zu Beginn eine Absage. Vielmehr gehe es darum, dass die Inhalte, Stoffe und Gegenstände des Unterrichts den heranwachsenden Menschen einen Anlass bieten, selbstständig zu denken – und dies in einem druckfreien Raum. Nur so ließe sich die Unterscheidung der Geister aus dem Kontext der Ignatianischen Spiritualität in das Tätigkeitsfeld der Schule übertragen, um dem geforderten Spüren und Schmecken, dem Verkosten des Stoffes den notwendigen Rahmen zu geben.

Deshalb stellte Mertes in besonderer Weise heraus, dass das gemeinsame Lehren und Lernen von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern von einem konstruktiven Verhältnis zu gemeinsamer Stille geprägt sein müsse. Erst wenn dieser verletzliche Raum aufgrund eines kontinuierlichen Übungsprozesses als ein gemeinsamer Wert wahrgenommen werde, könne sich eine innere Aufmerksamkeit einstellen, die Bildung zuerst als einen Selbstweck erlebbar mache. Methodisch ließe sich das bspw. durch regelmäßige, stille Reflexionszeiten am Ende einer Unterrichtsstunde praktizieren, die dazu dienen, die individuelle Auseinandersetzung mit dem zurückliegenden Unterrichtsgeschehen zu eröffnen.

Eine besondere Zukunftsfähigkeit der Ignatianischen Pädagogik zeige sich vor allem darin, dass sie auch im säkularen Schulkontext eine missionarische Präsenz entfalte, da sie der grundmenschlichen Sehnsucht nach Spiritualität Raum gibt und die Frage nach Gott ganz selbstverständlich einbringe, ohne zugleich den Schülerinnen und Schüler eine fertige Antwort zu präsentieren. Aus dem Geist der Ignatianischen Pädagogik heraus Schule zu gestalten, bedeute vor allem die Schülerinnen und Schüler auf die großen gesellschaftlichen und ethischen Fragen vorzubereiten und sie diskursfähig zu machen. Dann entfalten die Gaben der Schulzeit ihre Wirkung und Frucht.

Clemens Kascholke SJ