Aloisiuskolleg
Gymnasium der Jesuiten für Mädchen und Jungen

Matthias Katsch und Klaus Mertes vom Bundespräsident geehrt

In einer ausführlichen, sehr persönlich gefärbten Rede hat heute der Bundespräsident Herrn Matthias Katsch, Altschüler des Canisiuskollegs der Jesuiten in Berlin, und Pater Klaus Mertes SJ, Altschüler des Aloisiuskollegs und 2010 Rektor in Berlin gewürdigt. Beiden wurde zusammen das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Wer selbst nicht betroffen ist und sich damit nicht beschäftig hat, ahnt nicht, was es bedeutet, zum Sprechen über erlittene sexualisierte Gewalt zu finden. Dahinter steht oft genug ein jahrzehntelanges, in den Ursachen vielleicht unbewusstes Ringen und Leiden. Von der Umgebung und vor allem von den Institutionen, aus denen heraus das Unrecht an Kindern oder Jugendlichen begangen wurde, kam – und oft genug noch: kommt – keine Hilfe, im Gegenteil. Auch das Aloisiuskolleg muss sich hier weiter anfragen lassen.

Matthias Katsch und zwei seiner Mitschüler haben 2010 das Schweigen über das gebrochen, was ihnen Jahrzehnte zuvor angetan worden war und ihr Leben nachhaltig negativ geprägt hat. Zugleich hat ihr Sprechen in Klaus Mertes als Rektor des Canisiuskollegs 2010 jemanden gefunden, der ihnen zugehört und geglaubt hat und in einem Brief an alle Altschüler der betreffenden Jahrgänge zum Sprechen eingeladen hat. Dies hat es ermöglicht, dass erstmalig das Thema die Öffentlichkeit gefunden hat, die es braucht, um den langen, mühsamen Weg der Aufarbeitung und Erneuerung zu beginnen.

Gerade auch für das Aloisiuskolleg verdanken die von Gewalt betroffenen Altschüler, aber auch das heutige Kolleg den Anfängen in Berlin sehr viel. Der Bundespräsident hat deutlich gemacht, dass das Thema keineswegs Vergangenheit ist – für die Betroffenen nicht, die mit ihren Erfahrungen leben müssen und oft auf Anerkennung und vielfach auf Aufarbeitung noch warten, für die Einrichtungen nicht, weil Kinderschutz ein immer gültiges Thema bleibt, für die Kirchen nicht, wo die Versuchung offenbar bleibt, die Tragweite des Rufs zur Erneuerung zu leugnen, und für die Gesellschaft nicht, in der immer noch viele institutionelle Bereiche sich dem Thema verweigern und eine Öffentlichkeit meint, es sei ein Randproblem. Sowohl Matthias Katsch als auch Klaus Mertes wiesen darauf hin, dass es Menschen gab, ohne die sie den Schritt 2010 nicht hätten gehen können; P. Mertes nannte ausdrücklich den letzten Sommer verstorbenen P. Johannes Siebner. Mathias Katsch betonte, dass zwar einiges erreicht sei, „aber Kinder und Jugendliche, Mädchen und Jugendliche in diesem Land, in seinen Kirchen und Vereinen, vor allem auch in seinen Familien waren und sind weiterhin dem Risiko sexualisierter Gewalt ausgesetzt.“

2013 hat Klaus Mertes in einem Interview über sein Verhältnis zu seiner ehemaligen Schule, dem AKO gesagt: „Alle Untersuchungsberichte, die von außen kommen, werden die Wahrheit nicht aufdecken können, wenn von innen her keine Bereitschaft zum Sprechen über das eigene Mitwissen da ist. Aber wenn es zum Sprechen – ein jeder für sich in der ersten Person Singular – kommt, entsteht eine große Chance: Die der Versöhnung jedes Einzelnen mit sich und seiner eigenen AKO-Geschichte, ohne die Geschichte der Anderen dabei ausblenden zu müssen.“ Viel von diesem Sprechen konnte seitdem stattfinden; vor allem im pädagogischen Alltag ist Prävention und das Sprechen über die Vergangenheit zu einem wichtigen Baustein geworden.

Aber viel wird leider dadurch blockiert, dass sich einzelne – auch Jesuiten, die in Verantwortung standen – der Wahrheit (noch) nicht stellen wollen. „Die mit den unabhängigen Berichten von 2011 und 2013 und mit der AKO-Erklärung der Kollegskonferenz mit P. Siebner 2016 gesetzten Wegmarken können, wenn die Pandemie vorüber ist, zu einem neuen Anlauf des Erinnerns und Sprechens im Blick auf einen Erinnerungsort an unserer Schule sowie der Mitwirkung bei einer weiteren Aufarbeitung struktureller Ursachen führen“, meint der derzeitige Rektor des Kollegs, Martin Löwenstein.